Luis Aue: Warum setzen internationale GesundheitsexpertInnen auf Zauberkugeln? Autoritätsabhängige Interventionskonstruktion auf der Internationalen Sanitärkonferenz von 1892

GesundheitsexpertInnen haben seit der Konsolidierung öffentlicher Gesundheit im späten 19. Jahrhundert immer wieder Interventionen favorisiert, die absolute Lösungen bei gleichzeitiger Singularisierung komplexer Probleme versprechen – oft mit begrenztem Erfolg. Aufbauend auf aktuellen feldtheoretischen Ansätzen zu Expertise und Autorität analysiert Luis Aue in seinem Vortrag vom 17. Februar 2021 die Internationale Sanitärkonferenz von 1892, auf der sich Experten zum ersten Mal auf eine internationale Gesundheitspolitik einigen konnten.

Luis Aue ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsgruppe Globale Humanitäre Medizin am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung.

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Florian Binder

Michael Corsten und Hanna Haag: Was soll das Gerede von der „Generation Corona“?

In ihrem Vortrag vom 10. Februar 2021 präsentierten Michael Corsten und Hanna Haag Ergebnisse aus einer qualitativen Längsschnittbefragung mit jungen Erwachsenen. Dabei gehen sie von der These aus, dass die Corona-Pandemie sich für diese Kohorte in der Such- bzw. Realisierungsphase ihres Lebens abspielt und daher ein generationenprägendes Ereignis ist. Es wurden 40 narrative Interviews und 12 Gruppendiskussionen durchgeführt.

Die Befragten sehen sich besonders in Bezug auf Raum- und Zeitempfinden mit einer neuen Situation konfrontiert: Sie erleben sich als „ortlos“, fühlen sich auf die Gegenwart zurückgeworfen, wobei ihnen gleichzeitig eine Perspektive auf die Zukunft fehlt. Die „Generation Corona“ erlebt einen Verlust der Realitätstiefe durch digitale Kommunikation und fühlt sich ohnmächtig gegenüber dem Weltgeschehen.

Die Erhebungen werden im Herbst 2021 weitergeführt. 

Michael Corsten ist Professor für Soziologie an der Universität Hildesheim. Hanna Haag ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Postdoktorandin am Institut für Transformation, Wohnen und soziale Raumentwicklung der Hochschule Zittau/Görlitz.

Außerdem waren an der Vorbereitung des Vortrags Sascha Oswald und Tobias Wittchen beteiligt, beide wissenschaftliche Mitarbeiter am Institut für Sozialwissenschaften der Universität Hildesheim.

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Marlene Müller-Brandeck

Simon Munzert: Wer nutzt die Corona-Warn-App? Tracking und Steigerung der Nutzung der COVID-19-Kontaktverfolgungs-App

In seinem Vortrag vom 3. Februar 2021 präsentierte Simon Munzert Ergebnisse einer Studie über die Bereitschaft zur Nutzung der Corona-Warn-App. Die Analyse kombiniert mobile Trackingdaten mit einer Online-Panel-Umfrage, um die tatsächliche Nutzung der deutschen Corona-Warn-App zu messen und den Einfluss verschiedener Interventionen auf die Nutzung zu evaluieren.

Simon Munzert ist Assistant Professor of Data Science and Public Policy an der Hertie School in Berlin. Die Ergebnisse wurden in Nature Human Behaviour veröffentlicht.

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Silvio Suckow

Lukas Stoetzer: Affektive Polarisierung und moralische Dilemmata während der COVID-19-Pandemie

In seinem Vortrag vom 3. Februar 2021 präsentierte Lukas Stoetzer Ergebnisse einer Studie zur affektiven Polarisierung in der COVID-19-Pandemie. Die Teilnehmer:innen einer Online-Befragung wurden vor die Frage gestellt, welche Patient:innen sie für die intensive medizinische Versorgung priorisieren würden. Neben den medizinischen Triage-Faktoren spielte die Parteilichkeit der Personen bei der Entscheidung eine Rolle. Folgen solcher affektiven Polarisierungen sind nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland, Italien, Polen und Brasilien zu beobachten.

Lukas F. Stoetzer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrbereich Politisches Verhalten im Vergleich der Humboldt-Universität zu Berlin sowie am Exzellenzcluster Contestations of the Liberal Script (SCRIPTS).

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Florian Binder

Uta Rüchel und Bastian Rottinghaus: Freiheit(en) in unsicheren Zeiten

In ihrem Vortrag vom 27. Januar 2021 stellten Uta Rüchel und Bastian Rottinghaus die Ergebnisse einer deutschlandweiten Umfrage zur Einschätzung der Freiheitseinschränkungen vor.

Ziel der Umfrage war es, eine detailliertere Beschäftigung mit dem Grundgesetz im Kontext der Corona-Pandemie anzuregen. Erfragt wurde die individuelle Sichtweise auf die eigene Betroffenheit von Grundrechtseinschränkungen sowie das Vertrauen in Regierung und Justiz. Auch ging es um die Bedeutung von Medien und sozialen Netzwerken und die Wahrnehmung öffentlicher Grundrechtsdebatten.

Uta Rüchel hat Soziologie, Politik und Erziehungswissenschaften studiert. Bei der Non-Profit-Organisation WIR MACHEN DAS leitet sie das Projekt „Demokratie? Eine Frage der Verfassung!“.

Bastian Rottinghaus ist Soziologe und freiberuflicher Berater. Er beschäftigt sich vor allem mit Erhebungsverfahren und hat die Ergebnisse der Umfrage ausgewertet.

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Charlotte Jöster-Morisse

Bertolt Meyer: Psychische Belastungen und Ressourcen von Arbeitnehmer:innen während der Corona-Pandemie in Deutschland: Eine Längsschnittuntersuchung

In seinem Vortrag vom 20. Januar 2021 präsentierte Bertolt Meyer zentrale Ergebnisse aus eine Befragung von 3862 Personen zur Wahrnehmung ihrer Arbeitssituation, zu psychischen Belastungen und zu ihren Ressourcen, die er und sein Team während der ersten Corona-Welle im Zeitraum April bis Juni 2020 erhoben haben. Die Personen wurden bis zu drei Mal befragt.

Die Daten zeigen, dass berufstätige Frauen stärker belastet sind als Männer, vor allem mit Kindern im Haushalt während des Lockdowns im Homeoffice. Partnerunterstützung und Autonomie waren für berufstätige Frauen die wichtigsten Ressourcen. Insgesamt sprechen die Befunde eher für eine Retraditionalisierung der Geschlechterrollen während der Pandemie.

Die Ergebnisse wurden in einem Paper im International Journal of Psychology veröffentlicht.

Bertolt Meyer ist Professor für Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie an der TU Chemnitz.

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Sandra Leumann

Jürgen Gerhards und Michael Zürn: China und die westlich-liberalen Demokratien in der Systemkonkurrenz: Zeigt die Bewältigung der Corona-Krise die Überlegenheit einer technokratischen Autokratie?

Den Auftakt zur dritten Staffel unserer Reihe bildete ein Vortrag von Jürgen Gerhards und Michael Zürn. Darin gehen sie von der Beobachtung aus, dass die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung in China effektiver waren als in vielen westlich-liberalen Demokratien. Davon ausgehend plädieren sie für einen verstärkten staatlichen Kompetenzaufbau in der Digitalisierung als Grundlage dafür, die internationalen Regeln in diesem Bereich langfristig mitgestalten zu können.

Der Vortrag beruht auf einem Artikel, der am 13. Januar 2021 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschienen ist.

Jürgen Gerhards ist Professor für Makrosoziologie an der Freien Universität Berlin. Michael Zürn ist Direktor der Abteilung „Global Governance“ am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) und Professor für Internationale Beziehungen an der Freien Universität Berlin.

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Jan Wetzel

Heinz Bude: Staatsbedürftigkeit, Staatsfurcht und Staatsphobie

Die Corona-Pandemie erfordert Verhaltenskoordination, die liberale staatliche Systeme vor neue Herausforderungen stellt. Bereits in seinem Vortrag im April dieses Jahres mit dem Titel „Legitimationsglaube, Folgebereitschaft und Verhaltensorientierung“, wies Heinz Bude auf die Ressourcen kollektiven Handelns hin, die zur Verfügung stehen.

In seinem zweiten Vortrag in diesem Kolloquium vom 15. Dezember 2020 rekonstruierte er verschiedene Phasen der Krise. Derzeit erlebe man einen zumindest diskursiv thematisierbaren Kontrollverlust staatlichen Handelns, der verschiedene Arten von Ängsten und Zweifeln an staatlichem Handeln mit sich bringe.

Heinz Bude ist Professor für Makrosoziologie an der Universität Kassel. Da er kurzfristig verhindert war und deshalb nicht live im Kolloquium dabei sein konnte, haben wir den Vortrag am Tag vorher aufgezeichnet.

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Jan Wetzel

Martin Ehlert: Digitales Lernen während der COVID-19-Pandemie

Der beschleunigte Wandel in vielen Lebensbereichen macht das stetige Dazulernen auch im Erwachsenenalter immer wichtiger. Allerdings hat die COVID-19-Pandemie den Zugang zu Lerngelegenheiten erschwert: Präsenzveranstaltungen wurden durch das Kontaktverbot unmöglich. Viele Betriebe haben auf Grund der wirtschaftlichen Unsicherheit ihre Investitionen in Weiterbildung heruntergefahren. Eine Möglichkeit, diese Lücke zu füllen, ist selbstgesteuertes Lernen über das Internet. Lernangebote über Apps oder Videos aus dem Netz sind überall verfügbar und können flexibel an durch die Krise durcheinandergebrachte Tagesabläufe angepasst werden.

Doch wurden diese Angebote in der Krise verstärkt genutzt? In seinem Vortrag präsentiert Martin Ehlert zentrale Ergebnisse aus einer mit ihm zusammen durchgeführten Auswertung, der Sonderbefragung von Erwachsenen im Rahmen des Nationalen Bildungspanels (NEPS). Zum einen zeigt die Auswertung, dass die berufliche Nutzung von digitalen Lernangeboten während der ersten Monate der Pandemie zugenommen hat, zum anderen aber verstärken sich gleichzeitig Bildungsungleichheiten in der Teilnahme bei diesen.

Martin Ehlert leitet die Forschungsgruppe „Nationales Bildungspanel: Berufsbildung und lebenslanges Lernen“ am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung.

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Michelle Boden

Jan Wetzel: Wie die Krise den Blick auf die Gesellschaft verändert. Ergebnisse der Vermächtnisstudie

Die Bekämpfung der Corona-Pandemie erfordert Verhaltensanpassungen im Alltag ebenso wie umfassende Maßnahmen in vielen gesellschaftlichen Bereichen. Die Bereitschaft der Bevölkerung, die Veränderungen mitzutragen, ist abhängig davon, wie eigene Einstellungen und eigenes Verhalten im Vergleich zu anderen gesehen werden. In seinem Vortrag vom 2. Dezember 2020, der auf Paneldaten der Vermächtnisstudie beruht, stellte Jan Wetzel Veränderungen dar, die sich hier zeigen.

Jan Wetzel ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsgruppe der Präsidentin am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung.

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Joshua Perleberg